Stottern

Definition:

Unter Stottern versteht man unfreiwillige Unterbrechungen des Redeflusses.

Hierbei kommt es zu

  • Wiederholungen („K-k-k-k-kannst du mir mal bitte die B-b-b-butter geben?“)
  • Dehnungen („Vvvvvvvvvvvielleicht treffen wir uns morgen.“) und
  • Blockierungen  („———-Anspannung ———-Kommst du heute ———-Anspannung———–Abend zu mir?“).

Darüber hinaus werden von der stotternden Person nicht selten sekundäre Begleiterscheinungen aufgebaut. Davon erhoffen sich die Betroffenen, das Stottern lindern, aufschieben, kaschieren oder verhindern zu können.

Typische Begleitsymptome sind:

  • Atemvorschübe vor schwierigen Wörtern
  • Startfloskeln vor Sprechbeginn
  • Verkrampfungen, z.B. in der Gesichtsmuskulatur
  • Veränderungen der Sprechweise
  • Vermeidung bestimmter Worte
  • generelle Vermeidung von Kommunikation,…

Diese Begleitsymptome lassen das Stottern in nahezu allen Fällen jedoch noch schlimmer auffallen und verschlechtern den Redefluss noch mehr. Den meisten stotternden Menschen ist dies jedoch nicht bewusst. Sie haben das Gefühl, irgendetwas gegen das Stottern tun zu müssen, und das buchstäblich „mit aller Kraft“.

Im Erwachsenenalter stottert etwa 1% der Bevölkerung, im Kindesalter sind es etwa 4%.

Das bedeutet, dass 3 von 4 tatsächlich stotternden Kindern das Stottern wieder verlieren. Leider konnte bis zum heutigen Tage nicht erforscht werden, welche Kinder die Sprechunflüssigkeiten behalten, und welche sie ablegen.

Somit sollten alle tatsächlich stotternden Kinder logopädisch behandelt werden. Es kann den Kindern helfen, das Stottern früher wieder abzulegen, wodurch ihnen Hänseleien erspart bleiben.

Für ein Kind, das sein Stottern bis ins Erwachsenenalter behalten wird, ist eine logopädische Behandlung die Chance, das Stottern frühzeitig abzumildern und zu lernen, mit den Redeunflüssigkeiten so umzugehen, dass sie nicht als allzu störend empfunden werden – weder vom Stotternden selbst, noch von den Menschen im Umfeld.

Sonstige Redeunflüssigkeiten:

Physiologische („normale“) Redeunflüssigkeiten:
Etwa 75% aller Kinder durchlaufen während ihrer Sprachentwicklung eine Phase unflüssigen Sprechens, die nicht als Stottern bezeichnet wird. Diese Kinder wiederholen Satzteile, Wörter, Silben oder auch Laute, während sie „innerlich“ bereits weiter planen, wie sie den Satz am treffendsten fortgestalten. Sie begeben sich währenddessen auf die Suche nach passenden Wörtern, grammatikalischen und syntaktischen Regeln und Erzähl-Strategien.
Meist sind diese Unflüssigkeiten von relativ leichter Natur. Nur sehr selten kommt es zu Anspannungen, fast nie zu Dehnungen oder gar Blockierungen.
Diese Unflüssigkeiten werden meist nicht als störend empfunden, und eine logopädische Behandlung ist nicht notwendig.
Sollten verstärkte Sprechunflüssigkeiten jedoch länger als etwa 6-9 Monate auftreten und sich weiterhin immer mehr verschlechtern, ist unbedingt eine diagnostische Abklärung erforderlich, um ein echtes Stottern auszuschließen.

Poltern:

Von Poltern spricht man, wenn als Hauptsymptom eine deutlich zu schnelle, überhastete und undeutliche Sprechweise in Kombination mit einer allgemeinen sprachlichen Gestaltungsschwäche auffällt. Es liegt ein Missverhältnis zwischen der raschen Gedankenfolge und der Formulierungsfähigkeit vor.
Im Rahmen eines Polterns kann es dadurch auch zu Stottersymptomen kommen, meist eher zu Wiederholungen und Dehnungen, selten zu längeren Blockierungen.
Polternde Menschen „verschlucken“ Endsilben, manchmal sogar ganze Worte.
Sie haben ein weniger stark ausgeprägtes Störungsbewusstsein als stotternde Menschen. Oftmals sind sie sich ihres schnellen, verwaschenen und unstrukturierten Sprechens gar nicht bewusst.
Häufig tritt Poltern in Kombination mit anderen Sprachauffälligkeiten und mit Lese-Rechtschreib-Schwäche auf.

Ursachen des Stotterns:

Über die Ursachen des Stotterns ist noch nicht allzu viel bekannt. Im Laufe der Jahre haben sich viele Ursachen-Modelle angesammelt, die jedoch allesamt nur unzureichende Erklärungen abgeben können.
Heute wird vermutet, dass es eine Vielzahl von ineinander greifenden Ursachen ist, die Stottern auslöst.
Wissenschaftliche Forschungen haben ergeben, dass die Sprech-Steuerung in der Verarbeitung im Gehirn bei stotternden Menschen anders verläuft als bei flüssig sprechenden Menschen. Jedoch sind auch diese Forschungen noch lange nicht abgeschlossen und weisen immer wieder Ungereimtheiten auf.
Psychische Ursachen liegen nahezu nie vor. Zwar erscheinen stotternde Menschen häufig wenig selbstbewusst und sehr zurückhaltend, doch ist dies als eine Folge des Stotterns zu betrachten, nicht als dessen Auslöser.
Auch eine Atemstörung wird immer wieder diskutiert. Es wird jedoch heute immer mehr davon ausgegangen, dass die Auffälligkeiten in der Atmung der stotternden Menschen – ebenso wie die psychosozialen Auffälligkeiten – nur eine Folge, und nicht der Auslöser des Stotterns sind.
Häufig berichten Eltern stotternder Kinder, ganz genau zu wissen, wann das Stottern zuerst aufgetreten ist. Es wird dann ein besonders aufregendes, beängstigendes oder hoch erfreuliches Ereignis benannt, das als Ursache des Stotterns angenommen wird (z.B. „Das Kind ist ganz schlimm vom Roller gefallen.“ oder „Da ist die Oma gestorben.“ oder „Da ist die kleine Schwester auf die Welt gekommen.“).
In der Tat ist es gut möglich, dass ein solches Ereignis das Stottern erstmals auslöst. Es muss jedoch betont werden, dass die Ursache für das Stottern nicht in diesem Ereignis liegt und dass jederzeit auch ein anderes Ereignis das Stottern hätte auslösen können.

Behandlung:

Im Laufe der Jahre haben sich etliche Behandlungsmethoden entwickelt. Viele von ihnen zeigen nur über einen kurzen Zeitraum Wirksamkeit. Dann verlieren die Methoden ihre Wirkung, und die Patienten stottern wieder.
In der Praxis für Logopädie Gabriele Stephan werden unter anderem folgende Behandlungsmethoden, die eine anhaltende Wirkung haben sollen, angewandt:

Bei Jugendlichen und Erwachsenen:

Therapieansatz nach Charles van Riper:

Die Behandlung des Stotterns nach Charles van Riper ist in drei Hauptbereiche gegliedert:
Identifikation, Desensibilisierung und Modifikation.
In der Phase der Identifikation wird das Stottern auf ganz neue Art und Weise kennengelernt. Man spürt genau nach, was im Einzelnen bei jedem Stottersymptom in Mund, Zunge, Gesicht, Hals, Zwerchfell und im restlichen Körper geschieht. Man lernt, zwischen lockerem und spannungsvollem Stottern zu unterscheiden und wahrzunehmen, wo genau die Anspannung spürbar ist.
In der Desensibilisierung, die von der ersten Stunde an Bestandteil jeder Therapiesitzung ist, werden die Ängste vor dem Sprechen, vor dem Stottern und vor den Reaktionen der Mitmenschen abgebaut. Schritt für Schritt erfolgt eine behutsame Anleitung, das Stottern grundsätzlich zu akzeptieren. Hat ein stotternder Mensch erst einmal das Stottern als solches akzeptiert, verliert die Symptomatik meist bereits deutlich an Ausprägung. Und erst wenn die Sprech- und Stotter-Ängste abgebaut sind, ist davon auszugehen, dass ein stotternder Mensch mutig und entspannt im Alltag versuchen wird, das in der Therapie neu erlernte Sprechen überhaupt anzuwenden. Liegen noch Ängste vor dem Sprechen vor, wird er aus Versagensangst weiterhin das Sprechen meiden. In diesem Falle kann die in der Logopädie erlernte neue Sprechweise nicht erprobt und geübt werden.
Im dritten Bereich, im Bereich der Modifikation, wird versucht, das Sprechen flüssiger zu gestalten. Zum einen wird erlernt, wie man sich aus „festsitzenden“ Blockaden spürend und entspannt „herauszuziehen“ kann (sogenannter „pull-out“). Zum anderen wird eine Technik angebahnt, durch die es deutlich seltener zu Stottern kommt. Hierzu bedient man sich einer etwas langsameren, vor allem aber nachspürenden und weichen Sprechweise. Man verfolgt beim Sprechen spürend die Artikulationsbewegungen und kann so sehr schnell feststellen, wenn sich etwas zu verkrampfen droht. Da inzwischen erlernt wurde, darauf mit Entspannung zu reagieren, kommt es deutlich seltener zu starken Stotter-Symptomen.
Begleitend zu diesen Therapiebereichen werden Entspannungs-Methoden erlernt, die den Fortgang der Behandlung positiv beeinflussen können.

Bei Kindern:

Lidcombe-Therapieprogramm (verhaltenstherapeutischer Ansatz):

Auch Kinder können bereits sehr starke Stottersymptome und auch schon unbewusst selbst aufgebaute Begleitsymptome zeigen.
Grundsätzlich fällt auf, dass das Stottern sehr Tagesform-abhängig ist und starken Schwankungen unterliegt.
Eltern geben oft gut gemeinte Ratschläge, wie „Sprich langsam!“, „Überleg erst, was du sagen willst!“, „Hol erstmal tief Luft!“. Diese Ratschläge helfen jedoch meist nicht, zumindest nicht anhaltend, weil das Kind mit diesen Ratschlägen nicht viel anfangen kann. Es versteht nicht, was „Luftholen“ mit dem zu tun hat, was es eben erzählen möchte. Zudem ist es für Kinder schwer zu begreifen, was mit „langsamem Sprechen“ gemeint ist. Außerdem fühlt sich das Kind frustriert, weil es glaubt, den Eltern sei nicht wichtig, WAS es zu erzählen hat, sondern nur, WIE es spricht.
In der logopädischen Behandlung erfolgt deshalb immer zunächst eine ausführliche Beratung der Eltern, wie sie mit den Redeunflüssigkeiten ihres Kindes umgehen sollten.
Anschließend wird im Beisein der Eltern mit den Kindern gearbeitet, indem flüssig gesprochene Äußerungen des Kindes gelobt und belohnt werden. Dem Kind wird dadurch deutlich gemacht, dass das fließende Sprechen erstrebenswert ist. Das Lob findet fortan im täglichen häuslichen Sprechspiel und auch im freien Sprechen statt. Das Niveau des Sprechspiels wird so gewählt, dass das Kind es flüssig bewältigen kann.

Zusätzlich wird ein corrective Feedback bei gestotterten Äußerungen angewendet.

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